Ayurveda und Yoga im Vergleich

Ayurveda und Yoga sind zwei verwandte spirituelle Wissenschaften, die beide in den indischen Veden wurzeln und sich in vielen Aspekten gegenseitig befruchtet und bereichert haben. Beide Lehren befassen sich mit der Natur und unserem Leben als spirituelle und kosmische Wesen und wenden sich daher an den ganzen Menschen, also an Körper, Geist und Seele. Ayurveda und Yoga sind wie Geschwister, die zusammengehören, aber doch unterschiedliche Blickwinkel aufweisen:

Ayurveda will Körper und Geist heilen, ist daher das Wissen um die Lebensweise und zur Selbstheilung.

Yoga strebt nach Selbstverwirklichung und ist eigentlich ein Oberbegriff für alle Methoden der geistigen Entwicklung. Es setzt einen gesunden Körper und Geist voraus.

Aber auch das höchste Ziel im Ayurveda ist Selbstverwirklichung als die höchste Form der Selbstheilung und auch Yoga zeigt uns, wie wir optimale Gesundheit erlangen können.

Dharma, die Gesetze der Wahrheit, die das Universum regieren oder kurz – die Naturgesetze sind eine der gemeinsamen Grundlagen von Ayurveda und Yoga. Ayurveda könnte als dharmische Medizin bezeichnet werden. Denn natürliche Heilung und Lebensweise gründet auf dem Gesetz der Natur und macht uns gesund und glücklich. Im Yoga folgen wir unserem höheren Dharma, das heißt Äußerlichkeiten aufgeben und nach unserer wahren Natur streben. Karma als Früchte unseres Handelns, die wir ernten und Ahimsa, das Verbot anderen zu schaden als wichtigste dharmische Gesetze sind dabei sehr zu beachten.

Atman ist das universelle Selbst, das höhere Selbst oder auch das reine Sein, unsere Seele. Yoga zeigt uns, wie wir das Selbst entdecken. Ayurveda zeigt uns, wie wir leben sollen, damit Denken und Handeln mit dem Selbst harmonieren.

Yoga und Ayurveda wollen die Mysterien des subtilen und des kausalen Köpers ergründen, die eine Brücke zum höheren Selbst sind. Ohne die Evolution dieser beiden Körper können wir die Gottheit in uns nicht erreichen und nicht wirklich ganz sein. Die wichtigste Hülle dabei ist Pranamaya-Kosha – die Sphäre unserer Lebensenergie, auch Vitalkörper genannt.

Yoga und Ayurveda streben danach, Sattva (siehe Trigunas  unter Mehr über Ayurveda) zu entwickeln. Im Yoga ist Sattva die höhere Qualität, die spirituelles Wachstum ermöglicht. Im Ayurveda ist Sattva der Zustand des Gleichgewichts, der Heilung bewirkt. Sattva wird gefördert durch richtige Ernährung, körperliche Reinigung, Herrschaft über die Sinne, Mantras und Hingabe.

Das stärkste Band zwischen Yoga und Ayurveda ist Prana, die Lebenskraft. Yoga beschreibt die Lebensenergien in den Begriffen der fünf Pranas. Diese 5 Pranas symbolisieren die 5 Arten von Energie, die wir besitzen und mit denen das ganze Universum arbeitet. Im Ayurveda sind es auch die fünf Aspekte oder Subdoshas von Vata, die Lebenshauche oder Atem genannt:

Prana = der belebende Atem: in Kopf, Hals und Brustkorb, bewegt in den Körper hinein, aufnehmen, einatmen, in Bewegung setzen
Udana = der aufsteigende Atem: In Nase, Hals, Brustkorb, bewegt aus dem Körper aufwärts hinaus, ausatmen, transzendierende Kraft, Befreiung des Bewusstseins, führt beim Tod die Seele aus dem Körper
Samana = der ausgleichende Atem: Nabelgegend, Magen, Dünndarm, bewegt zentrierend und ausgleichend von der Peripherie zum Zentrum „Hüter des Gleichgewichts“
Vyana = der verteilende Atem: Herz, Kreislaufsysteme im ganzen Körper, kreisförmig nach außen verteilend, vom Zentrum zur Peripherie, Bewegung der Gliedmaßen, bewegt Pitta und Kapha
Apana = der absteigende Atem: Beckenregion, bewegt nach unten, aus dem Körper heraus – loslassen können, besonders von Gefühlen, alle Ausscheidungen nach unten

Yoga will darüber hinaus die natürlichen Funktionen der Pranas verändern und einen neuen Funktionsmechanismus auf einer höheren Energieebene etablieren: dies wird die Erweckung der Kundalini-Shakti genannt.  

Yoga und Ayurveda empfehlen eine rein vegetarische Ernährung mit Lebensmitteln, die in Harmonie mit der Natur und auf gutem Boden angebaut wurden, natürlich gereift sind und liebevoll zubereitet wurden, denn dies fördert die Bildung von Sattva. Im Ayurveda ist die richtige Kost das Fundament jeder Therapie und wird sehr auf die Konstitution abgestimmt, während im Yoga oft Fasten, sehr leichte Kost, Rohkost etc. empfohlen wird. Das kann aber umgekehrt Vata sehr verstärken und wird besonders bei Vata, Vata-Pitta oder Vata-Kapha Typen keine Ausgeglichenheit und Gesundheit schaffen. Rohkost wird auch für alle Kapha-Typen nicht ganz so bekömmlich sein, wobei Ayurveda grundsätzlich eher gekochte Speisen empfiehlt, vor allem am Morgen und Abend.

Auch betreffend die Gewürze und Kräuter wird im Ayurveda typgemäß gewählt und aufgrund der Eigenschaften (Gunas) entschieden. So können scharfe Gewürze und auch Knoblauch bei zuviel Kapha sehr gesundheitsförderlich sein.

Heilkräuter werden sowohl im Yoga zur Entwicklung höherer Fähigkeiten, als vor allem im Ayurveda zur Verjüngung und zur Heilung von Krankheiten verwendet.
Hier sind vor allem für beide interessant: Guggul, Dasha mula (ayurvedische Rezeptur), Shallaki, Myrrhe, Kurkuma, Ginseng, Safran, ..
Besonders aufbauend und energiestärkend sind: Ashwagandha, Amalaki, Shatavari und Bala,… am besten mit Milch, Rohzucker, Ghee oder Honig etc.
Zum Kühlen und Reinigen eignen sich: Aloe-vera, Guduchi, Gotu kola, Brahmi, Löwenzahn, Brennessel, Schafgarbe, …

Die ayurvedischen Ölmassagen, vor allem mit medizinierten Sesamölen machen Asanas leichter, lindern Krankheiten der Muskeln, Knochen und Nerven und helfen über die Haut dem Körper zu entgiften und Schlacken zu lösen. Außerdem stärken die Massagen Prana, dämpfen vor allem Vata und stärken Ojas (die höchste und feinste Essenz für Immunität und Stärke). Pancha Karma heißen die fünf Reinigungsmaßnahmen und werden je nach Indikation nach Ölmassagen, die die Toxine lockern und dem Verdauungskanal zuführen, angewandt: Einläufe, Abführmittel, Brechmittel, Nasenarzneien und Blutreinigung. Pancha Karma ist besonders für Yogaschüler nützlich als Maßnahme zur Verhinderung, dass sich Gifte im physischen und subtilen Körper ansammeln.

Die körperliche Seite von Ayurveda als indische Naturheilkunde durch Ernährung, Ölmassagen und Kräuter ist nur ein Teil des Ganzen. Der innere Aspekt, die Heilung des subtilen Körpers und der Seele (unter anderem durch Yoga und Meditation) ist vielleicht noch wichtiger. Die Yogatherapie war daher seit jeher theoretisch und praktisch ein Teil des Ayurveda. Wie bereits angesprochen, gehören Meditation, Atemübungen und Asanas zur täglichen Routine im Ayurveda. Alle diese Maßnahmen werden jedoch im Ayurveda auf den Konstitutionstyp abgestimmt, um die Gesundheit zu erhalten oder wiederzuerlangen und bestmöglichen Nutzen und Wirkung zu erzielen. Yogaübende und –lehrer sollten daher auch gut über Ayurveda, speziell die Doshas, Bescheid wissen, um die Wirkung der Übungen auf den grob- und den feinstofflichen Körper besser abschätzen zu können und das gesamte Potenzial eines Menschen zu wecken.

Im Ayurveda werden alle Arten von Yoga angewandt: Karma-Yoga als Dienst an den Lebewesen, Hatha-Yoga für Asanas, Atmung und Bewusstsein, Mantra Yoga nicht nur zum Heilen, sondern auch um heilende Energie zu projizieren. Bhakti-Yoga als eines der wichtigsten Heilmittel für das Herz um die höchste Kraft der Hingabe und göttlichen Liebe anzuerkennen. Jnana-Yoga für den Geist. Dafür ist Meditation wichtig.

Insofern ist Ayurveda das Fundament des Yoga und Yoga ist die Frucht des Ayurveda.